Landsituation der indigenen Gemeinschaften und Neuansiedlungen





 Entsprechend Artikel 64 der Nationalverfassung des Staates Paraguay (Constitucion Nacional) haben die Indianer ein Recht auf eigenes Land, das sie nicht käuflich erwerben müssen, das dann aber auch nicht verpachtet, nicht verpfändet und nicht aufgeteilt werden darf. Außerdem ist die indigene Bevölkerung frei von Landsteuern. Das Indianergesetz 904/81 sagt im Artikel 18, dass die Indianer in Ostparaguay das Recht auf 20 ha Land pro Familie haben, im Chaco sind es 100 ha pro Familie.

Im September 1961 hatte die ASCIM ein Ansiedlungsprojekt durhgeführt mit dem Ziel, 700 Indianerfamilien in den nächsten 10 Jahre anzusiedeln. Im April 1967 hatte man dieses Ziel bereits erreicht, und in weiteren 10 Jahren waren es schon 1000 Familien, die angesiedelt wurden.

Zwischen den Jahren 1979 und 1988 wurden folgende Siedlungen gegründet: La Armonía, Nueva Promesa, Paz del Chaco, Casuarina und Nich`a Toyish.
In den letzten Jahren wurden folgende Neuansiedlungen gemacht:

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Gemeinschaft

Herkunft

Jahr

Anzahl
Familien

Größe in
Hektar

Anaconda

La Esperanza

2000

     70

   11.250

Koe Pyahu

Laguna Negra

  2001

     63

     6.300

Laguna Verde

Campo Alegre

  2001

     45

     7.500

Campo Princesa

CNU

  2004

     70

   10.000

Total

   

   248   

   35.050

Alle diese Ländereien wurden komplett von ASCIM gekauft, mit Ausnahme von Anaconda, wo die ASCIM 25% gezahlt hat und die paraguayische Regierung 75%.

ASCIM hat über die Jahre etwa 160.000 ha Land an die Indianer vermittelt. Dieses war nur möglich mit der starken Unterstützung von MCC, ICCO und IMO. Das Land ist ein sehr wichtiger Faktor für die Entwicklung, aber um eine neue Ansiedlung durchführen zu können, braucht man eine Grundinfrastruktur.

Neue Ansiedlungen werden notwendig durch den natürlichen Zuwachs der Bevölkerung, durch die große Zuwanderung zum zentralen Chaco sowie auch die Zentralisierung der verschiedenen Dienste und die Arbeitssuche.

Wie sieht nun die gegenwärtige Landsituation aus?

Nach dem nationalen Zensus leben im Chaco rund 50.000 Indianer. Wenn wir davon ausgehen das zu einer Familie im Durchschnitt fünf Personen gehören, ergibt das 10.000 Familien. Um dem Gesetz 904/81 gerecht zu werden, nach dem jede Familie 100 ha Land zu erhalten hat, bräuchte man gegenwärtig weitere 1.000.000 ha Land. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass die Bevölkerung jährlich um 4% wächst.

Die Organisation PRODECHACO hat eine Karte angefertigt, nach der theoretisch 1.164.955 ha für Indianer reserviert sind. Von der ASCIM haben wir gegenwärtig noch 37.847 ha.

Aus den verschiedenen Siedlungen sind es zurzeit 255 Familien, die gern auf dieses Land ziehen wollen.

Von der ASCIM sind wir auf der Suche nach einer finanziellen Unterstützung, um die infrastrukturelle Grundausstattung machen zu können, damit die Indianerfamilien auf diesem Land leben können.

Ing. Agr. Eduard  Klassen

 

Indianeransiedlung - Erfahrungen von ASCIM



Land für die Indianer: Übergabe der Eigentumsurkunde








In der Geschichte der ASCIM sind im Laufe der Jahre verschiedene Modelle zur Begleitung der Umsiedlung und Ansiedlung von indigenen Gruppen im zentralen Chaco entwikelt worden. So wurden zum Beispiel im Zeitraum von 1979 bis 1988 fünf neue Siedlungen nach einem Modell der integralen Entwicklung durchgeführt: Paz del Chaco, Nicha Tôyish, Nueva Promesa, Armonía und Casuarina. Das vorrangige Ziel dieser Projekte war es, die Gruppen auf ihrem Land zu verwurzeln, eine wirtschaftliche Subsistenz zu sichern und die Gemeinschaftsdienste zu befestigen. Um das zu erreichen, wurde eine relativ hohe Anfangsinvestition in Infrastruktur, Ausrüstung und Begleitung der Siedler gemacht, die im Schnitt rund US$ 2.500 pro Familie kostete.

Parallel zu den genannten Projekten wurden im zentralen Chaco vier weitere Ansiedlungen von verschiedenen Organisationen durchgeführt, teilweise auf von der ASCIM gesicherten Landstücken: Laguna Negra, Campo Loa, Estribo und Casanillo. In diesen Siedlungen wurde ein Modell zur kulturangepassten Entwicklung angewandt. Das vorrangige Ziel dieser Projekte war es, wenige Veränderungen in der Lebensweise der indigenen Siedler zu verursachen und daher auch so viel wie möglich an schon bekannte Wirtschaftsformen anzuknüpfen: Sammeln, Honigbau, Schaf- und Ziegenzucht, Handarbeiten, Gartenbau und Lohnarbeit. Die Projektinvestitionen wurden für Infrastruktur, Ausrüstung und Projektbegleitung verwendet und beliefen sich durchschnittlich auf geschätzte US$ 1.250 pro Familie.

In den 90er Jahren änderten viele internationale Finanzinstitutionen ihre Strategien dahingehend, dass sie nicht mehr große, integrierte Projekte unterstützen wollten, sondern kleinere, die von den Zielgruppen selbst eingereicht würden. Das Ziel sollte sein, die Siedlergruppen “verhandlungsfähig” zu machen und sie anzuleiten, ihre Rechte durch Forderungen an den Regierungsinstitutionen durchzusetzen. In diesem Rahmen galt es, “Ansiedlungspakete” so zusammenzustellen, dass die verschiedenen Organisationen gemäß ihrer Angebote zu einer interinstitutionellen Zusammenarbeit angeleitet würden.

Versuche mit diesem Modell wurden in den letzten Jahren von der ASCIM in folgenden Siedlungen gemacht: Laguna Verde, Anaconda, Koé Pyahú und La Princesa. Die von außen eingebrachten Beiträge, darunter auch von den Departamentsregierungen, wurden für Infrastruktur, Sozialdienste und Wohnungsbau verwendet, während die ASCIM Koordinierung, Beratung und kleinere Wirtschaftsprojekte förderte. Es sind etwa im Schnitt US$ 1.000 pro Familie investiert worden, jedoch sind alle vier Projekte noch ohne eine gesicherte Subsistenzbasis. 

In der Evaluation dieser Modelle werden die Erkenntnisse deutlich, die die ASCCIM in den Prozessen der Projektdurchführung von den verschiedenen Modellen gelernt hat:

1. Motivation und Vision der Zielgruppe spielen eine entscheidende Rolle für den Erfolg des Projektes.. Ist die indigene Gruppe vorrangig durch eine Subsistenzkrise motiviert, ist es ihr Ziel, eine kurzfristige Versorgung zu erreichen. Eine Unterstützung damit eine "Abhängigkeit” von einem “Gönner", wie einer Hilfsorganisation, wird in dieser Situation hoch geschätzt. Hat die Gruppe aber zum Beispiel eine Vision, ein eigenes Landstück für eine sozialpolitische Absicherung auf lange Sicht zu erreichen, liegen die Chancen für Erfolg erheblich günstiger.

2. Die Rolle der Begleitorganisation muss vor der Projektdurchführung geklärt und während der Zusammenarbeit systematisch beobachtet werden. Es ist davon auszugehen, dass sich die Erwartungen der indigenen Zielgruppe und das Selbstverständnis der Partnerorganisation auf Anhieb niemals decken werden. Die fortwährende Klärung der Zuständigkeiten trägt dazu bei, im Laufe der Zeit zu einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit zu finden. Schwierig wird es dann, wenn mehrere Institutionen mit verschiedenen Richtlinien mitarbeiten; dann wird viel koordinierender Dialog notwendig.

3. Die wirtschaftliche Tragfähigkeit einer Neusiedlung entscheidet, ob die Siedlergruppe auf die Länge der Zeit gesehen "sesshaft" werden kann. Dieser Rentabilitätsfaktor sollte vor der Umsiedlung im Konzept geklärt sein. Die Erfahrung lehrt, dass wirtschaftliche Vielseitigkeit die beste Voraussetzung zur Lösung der Subsistenzfrage ist. Sicherheit wird aus der Perspektive der Chacoindianer dann erreicht, wenn stets mehrere Wirtschaftsoptionen zur Wahl stehen: Gartenprodukte, Sammelgut, Handarbeiten, Beziehungen für eventuelle Lohnarbeit und einige Familienmitglieder, die berufstätig oder auch verhandlungstüchtig sind, um Resourcen von außen einzubringen. 

4. Die “großzügigen Anfangsinvestitionen in Wasserversorgung, Wege, Schule, Gesundheitsposten, Vermarktungsmöglichkeiten, Ausrüstung mit landwirtschaftlichen Geräten und viehwirtschaftlichen Einrichtungen sind kein “weißgetünchter Luxus”; sie haben nach den Erfahrungen der ASCIM einen direkten Impakt auf Motivation und Wirtschaftserfolg der indigenen Siedler.

5. Begleitung und Beratung der Siedlergruppe haben keine vorgegebene Dauer, sondern hängen am meisten von der Art der Beratungsbeziehungen ab. Das Bedürfnis der Siedler für Beratung ändert sich im Normalfall ständig je nach Gruppeninitiativen und -visionen. Charakteristisch dabei ist, dass die Nachfrage nach Beratung immer mehr Technisches und Administratives zum Thema hat. Dabei hat die ASCIM die Erfahrung gemacht, dass es sinnvoll ist, Bedürfnisse und Beziehungen jährlich gemeinsam zu bewerten, auszuhandeln und schriftlich festzulegen.

Wilmar Stahl
Beratender Anthropologe der ASCIM


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